Eine unheilvolle Odyssee
- von Melanie -

Seit meinem dreizehnten Lebensjahr interessierte ich mich für Religion. Ich wurde evangelisch erzogen, ging allerdings nicht regelmäßig in die Kirche und war ungläubig - möglicherweise hätte dies meinen Irrweg aufhalten können. In der Schule besuchte ich den evangelischen Religionsunterricht, später als ich mich vom christlichen Glauben abwendete, besuchte ich nur noch den Philosophieunterricht. Der Irrweg begann als ich zum ersten Mal Literatur über die übrigen Weltreligionen las. Besonders der Buddhismus und buddhistische Meditationspraktiken hatten es mir angetan. Mich faszinierten die unterschiedlichen Bräuche und Rituale sowie die Ahnung, dass etwas Höheres unser Leben lenkt. Ich suchte schließlich dieses Höhere und fand den Einstieg in die Esoterik über Divinationstechniken. Ich legte Tarotkarten und sonstige Orakelkarten, meditierte, pendelte, betrieb Traumdeutung und las Bücher über Numerologie.

Der Weg führte mich weiter. Noch immer war ich auf der Suche nach dem Göttlichen und entdeckte über das Internet die neuheidnische Bewegung. Ich wurde ein Teil dieser Bewegung - anfangs studierte ich den Wicca-Kult in der Theorie, meinen selbstgebauten Altar verwendete ich nie - es schien mir blasphemisch zu sein die Kraft der Götter für meine Zwecke zu missbrauchen und ihnen zu befehlen. Magie blieb für mich immer ein rotes Tuch, ich las in dieser Zeit aufmerksam die Berichte auf dieser Website und trotzdem blieb ich eine Getriebene. Der Teufel ließ mich nicht aus seinen Fängen - im Gegenteil,  er zog mich immer tiefer hinab. Ich hörte Hexenlieder und meldete mich in zahlreichen heidnischen Foren an, unter anderem in einem Forum des lokalen heidnisch-hexischen Stammtischs. Ein Jahr später schloss ich mich dem Stammtisch ein. Aus einem ersten Treffen mit der Gründerin der Gruppe wurden im Verlauf von zweieinhalb Jahren regelmäßige Stammtischbesuche bis spät in die Nacht in einem mittelalterlich eingerichteten Restaurant. Wir lachten zusammen, plauderten, tauscht en uns über Forenthemen aus. Ich glaubte zum ersten Mal richtige Freunde gefunden zu haben, mit einigen traf ich mich auch außerhalb des monatlichen Stammtischs. An ihren Thementreffen und Jahreskreisfesten nahm ich nicht teil. Allen guten Ratschlägen von Verwandten zum Trotz blieb ich stur.

Die Zeit verging, meine religiöse Praxis wandelte sich und ich verehrte die griechischen Gottheiten nun rekonstruktionistisch, sprich ich verehrte sie auf traditionelle Art und Weise. Diese heidnische Strömung nennt man "Hellenismos". Die Götter zeigten sich mir in Träumen und Naturerscheinungen erkenntlich, traten sanft und zugleich bestimmend auf. Ich kann ehrlich schreiben, dass ich diese Götter liebte und ihnen mein Leben übergeben hatte. Ich meldete mich abermals in hellenistischen Foren an und trat hellenistischen Facebook-Gruppen bei; nebenbei beschäftigte ich mich mit den religiösen Strömungen, die meine heidnischen Freunde lebten. Ich erfuhr, dass ein Stammtischmitglied aktive Reiki-Meisterin und "Lehrerin" ist. Reiki war mir nicht unbekannt - ich hatte davon in einem negativen Erfahrungsbericht auf dieser Website gelesen und war entsprechend misstrauisch. Doch der Teufel hatte meine Sinne bereits ausreichend benebelt und so bat ich um die Einweihung in den ersten Grad nach Mikio Usui. Die Einweihungen waren allesamt kostenlos, was für mich ein noch niedrigeres Hindernis darstellte. Ich kam frisch vom Gymnasium und war gerade dabei einen Freiwilligendienst abzuleisten. Ich erhielt den ersten Grad September 2013, den zweiten Grad März 2014 und den dritten und vierten Grad Januar 2015. Ich übte fast täglich vor dem Schlafengehen die Ganzkörperbehandlung. Fremde Personen behandelte ich - Gott sei Dank - äußerst selten. Ich kaufte Unmengen an heidnischer, esoterischer und reikinaher Literatur. Ich war süchtig. Mein egoistischer Wunsch nach Selbstverwirklichung hatte groteske Züge angenommen. Ich fühlte mich gut, ich war auf der Erde um zu heilen und meinen Göttern möglichst streng zu dienen.

2015 wurde ich in der evangelischen Landeskirche getauft. Ich überstand die Zeremonie widerwillig um meine Mutter glücklich zu sehen und zukünftig bessere Karrieremöglichkeiten zu erhalten. Ich verachtete Jesus und hing weiterhin dem Götzendienst und seinen Ritualen an, doch der Grundstein war gelegt. Mir ging es plötzlich schlechter, ich verlor langsam die religiösen Gefühle. Lange Zeit, circa ein halbes Jahr lang, war ich religiös desinteressiert. Ich wusste nur, dass ich guten Gewissens keine Hellenistin mehr sein kann und verkaufte meine gesamte Literatur. Kurze Zeit überlegte ich verzweifelt, ob nicht der germanische Glaube die Lücke in mir füllen könnte. Er konnte nicht. Die Lücke in mir füllte Gott. Er kam nicht spektakulär als Erscheinung, er kam nicht im Traum. Er regte mich lediglich zum Bibelstudium an. Ich nahm meine verstaubte Bibel aus dem Regal und begann mit der Lektüre. Zusätzlich installierte ich eine App mit Bibelleseplänen auf meinem Smartphone. Gott berührte mein Herz durch die Bibel, er griff nach meinem Leben und ich wurde unbemerkt seine Tochter. Ich meldete den Stammtisch bei der Sektenberatungsstelle. Ich kaufte mir eine Lutherbibel als Lesebibel und weitere theologische Literatur. Ich las in christlichen Facebook-Gruppen und Onlineforen mit. Ich hörte modernen Lobpreis und ging freiwillig in den Gottesdienst meiner Gemeinde. Zuletzt schwor ich der Reiki Praxis ab und lege mir seitdem nicht mehr die Hände auf.

Derzeit bin ich auf der Suche nach einer freikirchlichen Gemeinde, die mir Halt gibt. Den eventuellen Gefahren solcher Gemeinden bin ich mir bewusst, nach meinen Erfahrungen im Heidentum bin ich ohnehin auf der Hut. Die meisten heutigen Neuheiden und Esoteriker verachten das Christentum und verschließen die Ohren vor Missionierung. Derzeit plane ich als Evangelistin in meiner Heimat tätig zu werden, für normale Christen und Christinnen, Noch-Nichtgläubige und Okkultisten. Gott scheint mich zu diesem Dienst zu rufen. Meine ehemaligen Freunde, zu denen ich den Kontakt abgebrochen habe und auch keinen Kontakt mehr wünsche, waren an und für sich keine schlechten Menschen. Ich glaube, dass niemand als schlechter Mensch geboren wird, lediglich sucht sich der Teufel seine Jünger. Für die Rettung ihrer Seelen bete ich kontinuierlich. Mit diesem christlichen Zeugnis möchte ich Menschen davor bewahren den Zutritt zur Höllenwelt zu erhalten. Ich bin im Glauben fest verwurzelt und es würde mich freuen, wenn auch anderen dieses Geschenk zuteil wird. Lasst euch nicht von den bunten Riten neuer spiritueller Angebote locken. Der Heil- und Psychomarkt ist riesig, das sich ausbreitende Heidentum-Revival gefährlich. Jesus allein ist der Herr, sein Wort ist die Wahrheit, er lehrt Demut. Auf meinem jetzigen Weg begleitet mich momentan Psalm 23, er trägt mich und führt mich aus der Dunkelheit immer in die Herrlichkeit Gottes. Möge er den Lesern dieses Berichts Hoffnung schenken und sie in Gottes Liebe bewahren. Amen.


Melanie



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