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Seelenkaputt durch Esoterik
- von Susanne -
Als Baby wurde ich getauft und wuchs danach auf Wunsch meiner Mutter katholisch auf. Sie nahm mich mit in die örtliche Gemeinde. Dort kam es auf regelmässige Anwesenheit am Sonntag an und darauf, gut gekleidet zu sein. Die Predigten waren für mich als Kind unverständlich und angsteinflößend und ich begriff nicht, warum die Erwachsenen jeden Sonntag dorthin gingen, um sich ihre Standpauke abzuholen. Nach dem Gottesdienst gingen fast alle mit hängenden Schultern und hängendem Kopf raus und waren sich wieder bewusst, wie lasterhaft sie waren.
Ich verstand also nicht, was da dran sein sollte, an diesem Gott. So hatte ich also nicht gelernt, dass der Glaube an Gott etwas Positives und Kraftvolles sein kann.
Als ich in die Pubertät kam, war keiner für die Beantwortung meiner Fragen da und so kaufte ich mir ein Tarotbuch, welches mir die ersehnten Antworten geben sollte. Astrologie erschien mir harmlos, in jeder Frauenzeitschrift gab es schliesslich Horoskope...
So fing es an.
In Zeiten, in denen alles gut lief, war mein Leben in Ordnung und ich konzentrierte mich auf mein persönliches Fortkommen. Wenn ich Christen traf, fand ich sie meist ok, aber ich konnte mit ihnen nicht viel anfangen, denn sie redeten viel über Glauben und Bibel und so weiter und da hatte ich ja nun nicht viel beizutragen. Bis auf meine Ängste, die unterschwellig mein Leben begleiteten, lief eigentlich alles glatt. Ich war schon immer ein Mensch, der leicht manipulierbar ist, man könnte auch sagen, ich war offen für vieles. Aber, wenn alles gut lief, hatte ich dann auch ein gesundes Misstrauen gegenüber überirdischen Sachen und blieb meinen Lebensmaximen treu.
So richtig angefangen hat es vor 3 Jahren, als ich meinen jetzigen Mann kennenlernte. Es war sofort eine Anziehungskraft zwischen uns, die mir zwar eigenartig vorkam, der ich aber keine besondere Vorsicht schenkte. Schliesslich war er viel älter als ich, hatte somit mehr Lebenserfahrung und wusste, wo es langgeht. Ausserdem führten wir von Anfang an grossartige Gespräche und alles, was ich wollte, war, mit diesem Mann diese großartigen Gespräche führen. Dass in seinem Leben in den letzten Jahren einiges schiefgelaufen war (große finanzielle Verluste, Trennung von seiner Frau und Tochter und nun eine lebensbedrohliche Krankheit), schreckte mich nicht ab, sondern zeigte mir, dass ich mit dieser Beziehung etwas Besonderes eingehen würde. Etwas Ernstes. Und da sollte ich recht behalten. Wir zogen sehr bald zusammen und verbrachten viel Zeit zusammen. Es waren die schönsten Monate meines Lebens. Dieser Mann war etwas völlig Neues für mich, alle anderen waren für mich von da an alle unreife Halbwüchsige. Durch die Erkrankung hatte die Beziehung zu ihm von Anfang an etwas Ernstes und es schweisste uns zusammen. Es führte aber auch dazu, dass wir fieberhaft nach allem suchten, was diese Krankeit zum Stillstand bringen konnte.
Es fing richtig an, als ich ihn vor drei Jahren fragte, ob er im Urlaub lieber nach Australien fliegen würde oder eine Panchakarmakur (Ayurvedische Reinigungskur) in SriLanka machen würde. Mir war es gleich, doch er war gleich von der Idee begeistert, drei Wochen fast nichts zu essen und die ganze Zeit zu meditieren und massiert zu werden. So flogen wir nach Sri Lanka und ich glaube im Nachhinein, dass dort alles seinen Anfang nahm. Wennn ich an diese Zeit zurückdenke, erinnere ich mich, dass ich eine Art Höhenflug hatte. Ich war überzeugt, dass wir dort jeden Tag reiner wurden duch Yoga, Meditieren und das wenige Essen. Ich war überzeugt davon, dass wir es richtig machten, im Gegensatz zu allen anderen.
Mein Freund machte mir dort in Sri Lanka einen Heiratsantrag und ich war total überwältigt vor Freude und nahm ihn sofort an. Als wir 3 Wochen später nach Hause kamen, fühlten wir uns wie Ausländer in unserer Grossstadt. Wir hatten uns in den abgeschiedenen Bergen Sri Lankas an ein reines Leben gewöhnt, mit Meditieren und Ritualen und Bäumen, zu denen man beten konnte. Wir hatten dort viel Kontakt zu anderen Religionen, denn das war das Besondere an dieser Reise, dass eben nicht nur WIR für uns beteten, sondern auch hinduistische und buddhistische Mönche mit ihren farbenprächtigen Ritualen.
Wieder in Berlin betrieben wir eifrig Yoga, um an die Kur anzuknüpfen. Aber wir machten nicht einfach nur die Körperübungen (Asanas), sondern sangen alle Mantren mit und wunderten uns auch nicht über die vielen Götter und deren Namen. Wir waren die ganze Zeit damit beschäftigt, während des Pranayama (der Atemübungen des Yoga) ein helles Licht zwischen unseren Augenbrauen zu sehen. Das gelang uns nicht, uns so buchten wir viele Kurse über positives Denken, Meditation und so weiter und wurden richtig viel Geld los. Aber wenn man sich so sicher ist, auf dem richtigen Weg zu sein, macht man sich da keine Gedanken. Dadurch , dass ich noch meiner Arbeit nachging, hatte ich weniger Zeit, mich mit allen Themen, die uns dort im YogaZentrum begegneten, zu beschäftigen. Mein Freund tauchte da schon tiefer in die Materie ein. Er versorgte mich dann regelmässig mit seinen neuen Erkenntnissen, zum Beispiel über Wassermoleküle und dass man Wasser besprechen muss, bevor man es trinkt und dass Gedanken die höchste Energie sind und wenn man Negatives denkt, es wieder zu einem zurückkommt. Aha, interessant.
Zum Glück, muss ich aus jetziger Sicht sagen, hatte ich meinen Job. Und durch meine Kolleg/innen, die ganz normal waren, verlor ich die Bodenhaftung nicht ganz. Ich entdeckte da zum ersten Mal, dass es Gott gibt, und dass er auch für mich da ist. Ich fand eine Gemeinde in unserer Nähe, die sehr herzlich war und sich über Neuankömmlinge freute. Zu meinem grossen Erstaunen kam sogar mein Freund ein paarmal mit und berichtete. dass es ihm nach den Gottesdiensten immer besser ging als vorher. Da seine Krankheit aber weiter voranschritt, hatten wir keine Zeit, in Ruhe zu überlegen, was für uns oder speziell ihn gut wäre. Beten ja, gut und schön, aber darauf wollten wir uns nicht allein verlassen!
Wir informierten uns hier und da und dort und er probierte (fast) alles aus, was es gab. Nur waren viele Meinungen, die wir hörten, unterschiedlich und so waren wir verunsichert. Mein Freund hatte sich von der Schulmedizin schon abgewandt, sodass wir zu Spezialisten in eigener Sache wurden und werden mussten. Aus jetziger Sicht waren wir ganz schön hochmütig gegenüber den Ärzten, doch es ist eben auch frustrierend, wenn ein Arzt einem jungen Menschen noch ein halbes Jahr zu leben gibt. Ohne geeignete Therapiemaßnahmen anbieten zu können.
Durch diese Diagnose liefen wir zur Hochform auf. Wir flogen zu einer Heilerin, die mit verstorbenen Ärzten aus dem Zweiten Weltkrieg Kontakt aufnehmen konnte. Sie ließ meinen Freund dann zum Beispiel wissen, dass die geistige Welt ihn brauche und dass er zur Genesung Birkenblättertee trinken sollte (Das hätten wir auch peiswerter haben können). Wir kauften allerlei Bücher und einen Frequenz- Zapper, mit dem man lt. Herstellerangaben alle heimtückischen Erreger von Krankheiten wegzappen konnte.
Seine Ernährung wurde immer spezieller, nur noch Bio (das war für mich allerdings auch schon selbstverstandlich), aber auch nur bestimmte Lebensmittel mit einer hohen energetischen Wertigkeit, und alle mussten vor dem Essen auf eine Energetisierungsplatte gelegt werden. Wenn ich kochte und dabei wütend war wegen dem Strassenverkehr, aß mein Freund das Essen nicht. Er fing sowieso an, immer weniger zu essen. Doch es gab mittlerweile immer weniger Leute, die ihn darauf hinwiesen, dass er immer kränklicher wurde. Die Heiler und Heilpraktiker (obwohl ich nichts Negatives über diesen Berufsstand sagen möchte, es wird da auch sehr viel Gutes getan), zu denen er ging, sagten ihm immer, wie toll er aussähe, und versicherten ihm, dass er die richtige Strategie verfolgte.
Wir besuchten Seminare, in denen wir hörten , dass man überhaupt nichts mehr essen muss. Wow! Der Typ, der die Seminare leitete, rauchte zwar und trank Rotwein, aber wir glaubten ihm jedes Wort seiner Lehre: wenn man zentriert genug sei, bräuchte man eben nichts mehr zu essen. Aha. Das war besonders für mich interssant, da ich in meinem stressigen Job immer naschte und ich nun fing ich also an, mich ständig zu zentrieren.
Da kann man natürlich nicht mehr so am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, wenn man ständig seine Zentrierungsübungen machen muss. Aber ich dachte, die anderen verstehen das eben nicht, die sind eben noch nicht so weit und kommen wahrscheinlich erst im nächsten Leben drauf. Parallel dazu entdeckte ich, seltsamerweise, die Kraft des Gebets. Ich las fast jeden Morgen in der Bibel und trug das Neue Testament fast immer in meiner Handtasche. Ich unterschied deshalb ich auch nicht in gute und böse Praktiken, Hauptsache, es half, oder?
So konnte ich manche Nacht wachbleiben und für meinen (inzwischen hatten wir geheiratet) Mann beten. Früh setzte ich mich zu ihm an den Tisch und fühlte mich irgendwie high. Ich hatte ganz unregelmässige Tages- Nachtrhytmen und aß nur noch sehr wenig. Ich hatte mir das Buch einer bekannten Australierin gekauft, die beschrieb, wie man in einem 21- Tage- Prozess den Körper von normaler Nahrung auf Lichtnahrung umstellen kann. Das machte mir zwar irgendwie Angst, auch, dass man nichts mehr trinken sollte, aber ich dachte zu dem Zeitpunkt schon: No pain - no gain.
An die schädliche Wirkung von Erdstrahlen glaubten wir natürlich längst. Und vielleicht ist da auch etwas dran, doch gaben wir erst einmal viel Geld aus, für Schutzvorrichtungen, Kohlematten, Edelsteine. Besonders ich wurde zu einer richtigen Paranoikerin bei all den krankmachenden Einflüssen um uns herum. Täglich meldete mir mein Mann neue schreckliche Dinge: Kondensstreifen am Himmel, die Krankheitserreger auf uns niederrieseln ließen, Strichcodes auf Verpackungen, die satanische Botschaften enthielten und die Beeinflussung der Bevölkerung durch Elfwellen, die sie letargisch machten und zum Kaufen und Konsumieren anregten.
Ich traute mich gar nicht mehr, daran NICHT zu glauben. Ich wurde immer ängstlicher und die Tatsache, dass wir die Krankheit nicht in den Griff bekamen, trug natürlich auch noch dazu bei. Ich zog mich immer mehr aus dem öffentlichen Leben zurück, denn alle da draussen waren ja entweder letargische Konsumenten oder vom Satan geschickt.
Meine Nerven lagen bald blank. Ich dachte viel an Trennung und irgendwann sprach ich es auch aus. Aus mir war eine ängstliche, dünne, einsame Gestalt geworden. Doch mein Mann war von seinem Trip nicht abzubringen. Wir verkauften den Fernseher, weil da zwischen den einzelnen Bildern angeblich satanische Botschaften gezeigt werden, um die Bevölkerung zu manipulieren. Immer neue Bücher fanden sich in unserem Bücherschrank. Über Wünschelruten, das Pendeln, Radiästhesie im allgemeinen, fernöstliche Meditationstechniken, u.s.w. Zeitweilig konnte man richtig den Überblick verlieren. Wenn es um die Heilung einer ernsten Krankheit geht und man in Angst ist, glaubt man an so vieles, was man vorher für abwegig gehalten hätte!
Dazu kommt, dass man in einer Grossstadt wie Berlin oft mit sehr viel mehr Esoterik in Berührung kommt als vielleicht in einer gutbehüteten bayrischen Gemeinde. Und so taumelten wir weiter von einem ins andere. Ich merkte allerdings, dass ich das nicht mehr lange durchhalten würde. Da sich mein Mann aber nicht von seiner esoterischen Schiene verabschieden wollte, musste ich mich langsam an den Gedanken gewöhnen, mich von ihm zu trennen. Das war nicht leicht. Wir steckten ausserdem beide mitten in einer Ausbildung zum/ zur Familiensteller/-in nach Hellinger. Dort wurde im eigenen Familiensystemen oder dem anderer Menschen herumgefuhrwerkt, wie ich es heute bezeichnen möchte, und einfach mal Ahnen befohlen, sie sollten diesen oder jenen Satz aufsagen. Kombiniert mit schamanischen Ritualen waren wir so auf dem besten Weg zur Endstation. Aber davon merkten wir nichts, denn wir merkten ja, dass sich durch die Aufstellungen viel tat und viel bewegt wurde (Ich möchte bzgl. dieses Verfahrens zur allergrößten Vorsicht aufrufen..!).
Unsere Ehe wurde zusehends schlechter und etwas Kaltes und Teuflisches war zwischen uns getreten. Von Liebe und Zuneigung war fast gar nichts mehr zu spüren. Das setzte mir sehr zu. Mein Mann schien damit besser zurechtzukommen. Er hatte eine neue Sache gefunden: eine Meditationstechnik mit einer magentafarbenen Energie, die alle negativen Muster lösen soll, und, wenn man sie täglich anwendet, was mein Mann tat und immer noch tut, die göttliche Liebesenergie im Meditierenden verwirklichen soll. Mein Mann machte sie seit einer Weile täglich und war ganz angetan von dieser Methode und der polnischen Heilerin, vor der ich an dieser Stelle nur DRINGEND warnen kann! Sie verbreitet nicht Gottes Liebe, (das kann sowieso nur Er selbst), obwohl sie angeblich in seinem Auftrag auftritt und an ihre Eingeweihten Jesusbildchen verteilt. Kraft schöpfen soll man, wenn es nach ihr geht, nicht aus Gott, sondern aus der eigenen Aura. Ich hätte mir gewünscht, dass schon das meinen Mann hätte stutzig machen müssen. Doch die tägliche Praxis der Gesundheits- & Ganzheitsmeditation wirkte wie eine Droge.
Wir entfremdeten uns gerade immer mehr, und ich musste einsehen, dass meine Kraft begrenzt ist, und dass ich es vielleicht nicht schaffe, ihn aus dem ganzen Esoteriksumpf herauszuziehen, ohne dabei selbst noch Schaden zu nehmen. Ich betete allerdings jeden Tag dafür, und das tue ich noch heute. Ich bitte auch in Jesu Namen, dass mir kein Schaden zuteil wird, weil ich öffentlich mache, was an die Öffentlichkeit muss.
Und ich hoffe und bete dafür, dass einigen Esoteriker/innen die Augen aufgehen werden und sie umkehren werden. Vielleicht können gerade sie dabei helfen, andere Menschen von schädlicher Esoterik zu befreien und einen festen Glauben in Gott zu entwickeln.
Susanne
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